Die Metarmorphose des 101 FWC „Hilton“

Nach etwas über einem Jahr, nachdem ein paar für die Zulassung nötige Reparaturen erledigt waren, nahm das Projekt „Hilton“ richtig Fahrt auf. In nur vier Wochen wandelte sich das Fahrzeug schon erheblich.

Vorlauf

21. Mai 2019. Hilton, unser Land Rover 101 FWC ist soweit. Heute geht es zur Vollzulassung. Mathias, Prüfingenieur aus Bonn, unterstütze uns ja schon im Vorfeld und ist mit uns alle nötigen Punkte durchgegangen. Siehe „Beleuchtung„. Jetzt wartet er im Nachbarort auf mich und den 101 FWC.

Die rote Nummer ist am Fahrzeug. Erstmalig bewege ich ihn wirklich über deutsche Straßen. Nach wenigen Minuten bin ich bei der GTÜ-Prüfstelle und komme sofort dran. Jetzt beginnt Mathias alles zu begutachten und zu vermessen. Sind alle nötigen Kennzeichnungen vorhanden? Haben Lampen, Anbauteile, Fenster usw. die nötigen E-Kennzeichnungen? Wie sieht der Wagen von unten aus? Sind die Spur- und Lenkstange in Ordnung? Länge, Höhe, Breite? Vorgeschrieben Reifen? Funktionieren die Bremsen und die anderen Sicherheitssysteme, sind die Gurte da? Alles das geht er gewissenhaft durch. Alles ist so wie es sein muss.

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Body-Mass-Index

Jetzt schickt er mich zum Wiegen. Das Leergewicht muss ermittelt werden. Auch kein Problem. 3.060 Kilogramm wiegt unsere mobile Wohnung. Es folgt die Prüfung, ob es sich wirklich um ein Sonder-KFZ-Wohnmobil handelt. Ja, tut es. Und damit sind wir auch durch. Papiere, Stempel, fertig.

Freitags geht es auf die Zulassungsstelle. Keine Fragen, keine Probleme. Ein rein formaler Akt. Nicht für alle, wie wir mitbekommen. Es gibt diverse Fallstricke. Aber bei uns geht alles gut. Überglücklich halten wir zwei frisch gedruckte und mit den nötigen Siegeln beklebte Kennzeichen in der Hand.

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Die Arbeit beginnt

Das war aber nur der Auftakt. Jetzt beginnt die Arbeit erst richtig. Montag, mein erster Urlaubstag. Ich begebe mich auf das Dach des 101, der zum einen verlängert wurde und zum anderen eine Haube für die Stehhöhe in der Kabine hat. Beides ist ja kein Standard. Das bedeutet, dass er auf dem Dach zahlreiche Fugen und vernietete Bleche hat. Alles potentielle oder wirkliche Undichtigkeiten. Leider hat der Vorbesitzer hier wenig kreativ gehandelt. Sein Mittel der Wahl war Bitumen mit Dachpappestreifen. Ich fluche. WIE soll ich das jemals runter bekommen? Und in einer Woche geht der Wagen zum Lackieren! Egal, nicht aufgeben. Ich starte mit dem Entfernen, aber gebe nach kurzer Zeit auf. Keine Chance. Ich verteile das Bitumen nur noch mehr.

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Mir fällt de Firma Naviton ein, die den Wagen lackieren wird. Die kennen sich mit allen möglichen und unmöglichen Materialien aus. Ein Anruf und ich bin schlauer: Eisstrahlen oder mit Benzin und Fackel entfernen. Ich schließe zweites einfach für mich jetzt einmal aus. Also Eisstrahlen. Ich wähle die Nummer eines Betriebes aus Köln-Pulheim, von denen ich bereits Gutes gehört habe. Nur das sie jetzt in Dormagen sind, aber das ist nicht weiter schlimm. Und ich habe Glück. Es gibt einen freien Termin und frisches Eis ist auch da. Am nächsten Tag um 11:30 soll ich da sein.

Abends nehme ich noch das Monster von Dachgepäckträger mit Hilfe von Nik und eines Nachbarn herunter.

Beim Eismann

Die erste voll-legale Fahrt mit eigenen Nummernschildern. Der Wagen erregt Aufmerksamkeit. Ok, es gibt ihn weltweit etwas über 500 Mal und in Deutschland sieht man ihn eher selten als Alltagsfahrzeug im Stadtbild, aber das stört mich alles nicht. Das Blubbern im Stand und das Fauchen beim Fahren des V8 macht mir einfach ein Grinsen im Gesicht. Pünktlich erreiche ich den Eisstrahl-Betrieb Wild in Dormagen.

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Der Mitarbeiter spricht sich kurz mit mir ab und legt sogleich los. Aber es ist ernüchternd. An vielen Stelle ist der Bitumen einfach noch zu dick. Mitleidig drückt mir der Kollege einen Stechbeitel in die Hand. Ok, ich verstehe. Also begebe ich mich mit ihm auf das Dach und fange an. Er macht derweil alle Stellen frei, die kein oder nur wenig Bitumen haben. Ich bin auf den Knien und schiebe unter großer Anstrengung eine kleine Bitumen-Wurst nach der anderen vor mir her.

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Nach gut 5 Stunden sind wir fertig. Sowohl als auch. Aber das Ergebnis ist gut. Es gibt noch einige sehr kleine Stellen um ein paar Nieten und kleinere Ösen herum, die noch bitumisiert sind. Aber das Gröbste ist runter. Ich bedanke mich, bezahle und fahre hundemüde nach Hause. Das war erst Tag zwei.

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Innenausbau mit Geschmack

Mittwoch – Heute kommt der Hilton zu unserer Fotografin Doreen Kühr in die Schreinerei. Eine große Vorhalle im Betrieb bietet genug Platz. Dort warte schon eine ganze Crew auf uns. Doreen, ihre Tochter und Schreinergesellin Lea und Nik. Kurz wird die Arbeit eingeteilt und dann geht es auch schon los. Doreen und Lea entfernen aus der Kabine was für den Shop-Ausbau für die Abenteuer & Allrad nicht gebraucht wird, Nik beginnt mit dem Abschleifen und ich mache auf dem Dach weiter. Wir arbeiten bis spät Abends. Der Shop-Ausbau wurde auch schon gestartet. Die beiden Holzwürmer sind fix. Nik und ich hingegen sind fertig. Ab nach Hause, eine kurze Dusche und ab ins Bett. Morgen ist ja auch noch ein Tag – voller Arbeit.

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So ist es dann auch. Donnerstag geht es im gleichen Tempo weiter. Lea macht den Shopausbau alleine fertig. Doreen und Nik schleifen, bauen Schilder und die kleinen, feinen Ideen und Accessoires, die den Ausbau so liebenswert machen. Jeder ist beschäftigt. Und ich, ja, natürlich bin ich noch auf dem Dach zugange. Paul, der Schreinermeister und Doreens Freund kann mir dann einen wertvollen Tipp für die Bitumenreste geben. Die sind übrigens auch vollkommen sinnlos einfach auf den Flächen dünn verstrichen worden. Mit grobem 40er-Schleifpapier und ganz langsamer Geschwindigkeit, so dass möglichst keine Wärme entsteht gehe ich den Resten dann zu Leibe. Das klappt.

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Freitag wird dann noch etwas geschliffen und ich fange an, die erste Runde des Entfettens auf dem Dach zu starten. Wir sind früher fertig, aber da ist auch keiner böse drüber. Samstag bauen wir alles zusammen und fahren den Wagen nach Hause. Dort wird bis spät Abends weiter abgeschliffen. Sonntags ist auch keine Pause, wir entfetten so gut und so viel wir können.

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Auf zu Naviton – zum zweiten Mal

Auch der 101er soll mit Naviton lackiert werden. So wie meine Serie 2a auch. Die Eigenschaften des Lacks, wie Kratzfestigkeit und chemische Resistenz stehen dabei für uns gar nicht so im Vordergrund, sondern eher das Verschlichten der Blechhaut durch die Caliper-Optik. Die Außenhaut hat in den Jahrenin den Jahren schon arg gelitten. Außerdem soll ein neues Produkt von Naviton an unserem Fahrzeug getestet werden: Naviton Flex.

Flex ist ursprünglich als Kleber auf die Welt gekommen, aber Naviton entdeckt stetig neue Einsatzgebiete. Ich habe es bereits in den Kotflügeln der Serie als Geräusch-, Korrosions- und Steinschlagschutz. Bei der Serie wurde es paströs angesetzt, um den mechanischen Steinschlägen besser zu widerstehen. Auf dem Dach des 101 FWC kommt es vor allem als flexible, vollflächige Dichtmasse zum Einsatz. Dort wird es flüssiger aufgebracht, damit es in alle Falze und Ritzen läuft und diese verschließt.

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Montag Morgen geht es dann los. Wecken um nulldreihundert, Abfahrt eine Stunde später. Vor einer Sparkasse, bei der ich mich (legal) mit (den eigenen) Geldmitteln eindecken möchte, werde ich von der Polizei gestoppt. Im Grunde finde ich das ja gut, gerne auch öfter. Aber diese beiden waren sichtlich nervös. Entsprechend vorsichtig verhielten sie sich, aber immer freundlich. (Hallo Herr Innenminister! Ein paar mehr Beamte wäre OK! Ich und bestimmt viele andere verfallen da nicht gleich in Paranoia, wenn wir ab und an Mal kontrolliert werden). Dort wo ich wohne wird dem Wagen ja auch alles mögliche nachgesagt: Panzerwagen, gepanzerter Wagen, Gefängniswagen, usw. Nur das es eine Ambulanz war, das hat noch keiner vermutet. Nachdem die beiden Beamten gemerkt haben, das von mir weder für sie noch die Bank eine Gefahr ausgeht, entspannten sie sich sichtlich und fragten nach dem Auto. Ja, so ist das. Ein eher ungeeignetes Fluchtfahrzeug, langsam und auffällig. Aber wer weiß das schon?

Marathon

Gegen 08:00 Uhr komme ich bei Naviton an. Dort wartet bereits eine Crew auf mich. Alles geht Schlag auf Schlag. Wagen rein, Besprechung, Teile abbauen, nochmals und nochmals entfetten und den Haftgrund Bridge auftragen. Jetzt kleben die Naviton-Leute routiniert den gut 2,20 m breiten Aufkleber (in einem Stück) auf die Seiten. Ich glaube, ich wäre dabei gestorben, aber die Männer machen das, als hätten sie nie was anderes gemacht. Respekt. Der Aufkleber ist speziell für den Naviton Haftgrund entwickelt worden und er wird in den nächsten Tagen mit einlackiert werden.

Nach ein paar Stunden kann schon die erste Lackschicht drauf. Routiniert und mit viel Geschick arbeiten die Leute an unserem Auto. Dieses Team von Naviton kümmert sich um die Test-Projekte, die werden im Hause selbst gemacht. Wir sind solch ein Test-Projekt für Flex.

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Die Uhr zeigt mittlerweile 01:00, also nach der Geisterstunde. So fühle ich mich auch, wie ein Geist. Aber es gibt keine Gnade. Ein Kollege von Naviton kommt auf mich zu, Kopflampe aufgezogen und eine für mich. Zudem ein Pinsel. Ähh, was jetzt? Ist das Ganze doch eine Fälscherwerkstatt für Gemälde? Muss ich jetzt an geheimen Fälschungen mitarbeiten? Nein. Wir sollen jetzt jede Niete und jede Falz kontrollieren, aus unterschiedlichen Blickwinkeln, mit genug Licht, ob auch wirklich überall Farbe hingekommen ist. Also gut, die nächsten zwei bis drei Stunden wird mir jedenfalls nicht langweilig werden. Nicht das so ein Aufwand bei jedem Auto nötig wäre, aber so ein 101 Forward Control ist was die Außenhaut angeht schon sehr speziell.

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Langsam wird es was

Nik wünschte sich ja ihren 101er uni-farben, in grau. Uns kommen Zweifel. Das ist wirklich viel grau. Man empfiehlt mir Kontraste einzubringen. Ein bisschen Schwarz vielleicht. Aber nein, auch wenn ich selbst die gleichen Zweifel an der Optik habe, so bleibe ich bei uni-grau, so wie es Nik wollte. Ok, es gibt ein, zwei sinnvolle Ausnahmen. Die Außenspiegel beispielsweise. Wären sie ebenfalls grau, wären sie vom Gegenverkehr nur schlecht zu sehen und schlecht abzuschätzen. Die bleiben also schwarz. Auch die Hecktraverse bleibt schwarz.

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Jetzt wird der Wagen auf Böcke gestellt und die Räder kommen ab. Sie gehen zum Sandstrahlen und dann werden sie ebenfalls grau lackiert. Sie werden in den nächsten Tagen wiederkommen. Ich mache mich derweil dar an, das Monster, den Dachgepäckträger abzuschleifen und mit dem Primer zu versehen. Das coole an der Naviton Beschichtung ist ja u.a., dass kein Sprühnebel entsteht. Wir haben in der ganzen Halle nichts abgeklebt und während ich am einen Ende des Dachgepäckträgers rumgrundiere, wird am anderen schon Lack aufgesprüht.

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Das Land Rover Kaufhaus

So machen wir Tag für Tag Fortschritte. Bei den Spiegelarmen fiel auf, dass eine Schutzkappe fehlt. Was nun? Das Spiegelgelenk offen lassen fanden wir doof. Also schickte man mich zum örtlichen Kaufhaus, so ein kleines, welches noch keiner der großen, sterbenden Ketten angehört. Dort gäbe es Teile für den 101er!? Für den Land-Rover-Fahrer ist Improvisation kein Fremdwort, daher fuhr ich los und fand das gesuchte Teil: eine Mostkappe. Zwei Stück davon eingepackt, mit Naviton beschichtet und exakt auf den Spiegelarm passend. Perfekt. Ich könnte mir vorstellen, das Land Rover im Original auch Mostkappen verwendet hat.

Heimfahrt ohne 101 FWC

Freitag muss ich Heim. Nik und ich müssen Samstag auf dem Jahrestreffen des DLRC (Deutscher Land Rover Club e.V.) erscheinen, ich halte einen Navigationsvortrag. Der 101er ist noch nicht ganz fertig geworden und die Caliper-Lackschichten sollen auch noch ein bisschen aushärten. Also bleibt er noch eine Woche bei Naviton stehen.

Wie ist es geworden?

Sonntag, eine Woche später. Gespannt fahren wir wieder Richtung Hannover. Wie ist es wohl geworden? Die Zugmäuler sollten rot werden, die Trittkränze zweifarbig in grau und schwarz und wie wird der Aufkleber wirken? Wir sind so sehr gespannt.

Dann öffnen sich die Hallentore und da steht er. Wir sind begeistert. Was für eine andere Optik! Und mit dem freigelegten Aufkleber passt es mit dem uni-grau wie die Faust aufs Auge! Gut, dass wir nicht zu viel in schwarz gemacht haben, das hätte jetzt zu erdrückend gewirkt. So hat der Wagen eine gewisse Leichtigkeit, trotz der 3 Tonnen Gewicht. Kurzum, wir sind absolut begeistert. Und manchmal sind es einfach die kleinen Dinge, die etwas tolles in was Besonderes wandeln. Als ich mich ins Cockpit wuchte, finde ich einen kleinen Zettel vom Geschäftsführer vor. Der Zettel fährt seit dem mit.

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Das Ergebnis

Und jetzt könnt ihr Euch das Ergebnis von vier Wochen Arbeit ansehen.

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